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DER ABLASSBRIEF
 



 

Der Ablassbrief von 1327 in der Kirche zu Kirchberg

Die Kirchengemeinde Kirchberg besitzt einen Ablassbrief, der am 28. April 1327 in Avignon ausgestellt wurde. Das wertvolle auf Pergament geschriebene Dokument ist noch relativ gut erhalten, allerdings ist nur noch ein beschädigtes Siegel vorhanden und das rechte Drittel des Briefes fehlt. Hier stand vermutlich der Name des Papstes, unter dessen Patronat der Ablassbrief von verschiedenen Bischöfen ausgestellt wurde. Dessen Name lässt sich jedoch leicht ermitteln, und daraus ergibt sich eine spannende Geschichte um unseren Ablassbrief, die nicht exakt zu belegen, aber sehr wahrscheinlich ist.

Geschichte

Frankreichs König Philipp der Schöne hatte seinen Gegner Papst Bonifaz VIII. gefangen nehmen lassen und nach dessen baldigem Tod seinen Nachfolger Clemens V., einen Franzosen, nach Avignon bringen lassen. Nach dessen Tod erfolgte eine zweieinhalbjährige Sedisvakanz, nach deren Ende der ehemalige Bischof von Avignon, Jaques Arnaud Duèze, als Papst Johannes XXII. gewählt wurde, später als der Fuchs von Cahors (nach seinem Geburtsort) bezeichnet. Das kam u.a. so: Im Konklave von Lyon, das den neuen Papst wählen sollte und aus 7 italienischen und 17 französischen Kardinälen bestand, kam ein halbes Jahr lang keine Entscheidung zustande. Schließlich ließ der König sie in der Kathedrale einmauern, das Dach der Kathedrale, deren Gewölbe noch nicht fertig war, einreißen und die Essensrationen deutlich kürzen. In diesem Zustand und unter unsagbaren hygienischen Bedingungen stellte sich Jaques Arnaud Duèze sterbend und wurde daraufhin in der Hoffnung, ihn bald wieder los zu sein, im Jahr 1316 als Johannes XXII. zum neuen Papst gewählt. Aber die Kardinäle hatten sich getäuscht, er saß noch 18 Jahre bis 1334 auf dem Stuhl Petri. Und viele Kirchenhistoriker sagen, dass er einer der unwürdigsten Menschen auf dem Papstthron gewesen sei, denn er baute die Finanzquellen des Papsttums durch Pfründen- und Ablasshandel gewieft aus und galt bald als der reichste Mann Europas. Wer tiefer in diese Zeit eintauchen möchte, dem sei das Buch von Umberto Eco bzw. der gleichnamige Film „Der Name der Rose“ empfohlen, der genau im Jahr 1327 spielt und den Streit zwischen Johannes XXII. und dem Franziskanerorden, welcher die Armut der Kirche fordert, thematisiert.
Kehren wir nach diesem Ausflug in die Geschichte der „Babylonischen Gefangenschaft der Päpste“ in Avignon nach Mittelhessen zurück. Hier reiste just im Jahre 1327, der Erstellung unseres Ablassbriefes, der hessische Landgraf Otto nebst Gemahlin und den befreundeten Grafen von Ziegenhain und Waldeck zu eben diesem Papst Johannes XXII. nach Avignon (1). Grund der Reise war, dass der Erzbischof von Magdeburg gestorben war, und der Landgraf wollte gern einen seiner nachgeborenen Söhne auf dem Bischofsitz sehen. Das gelang ihm tatsächlich auch, und bei diesem geldgierigen Papst dürfte ihn das einiges gekostet haben. Was, darüber schweigt die Quelle. Da unmittelbar danach aber Ablassbriefe dieses Papstes – vorhanden sind neben unserem noch ein Schottener Ablassbrief von 1330 – in Hessen auftauchten, scheint sicher, dass das Privileg oder gar die Verpflichtung, Ablassbriefe in Hessen zu verkaufen, zu dem Handel dazugehörten.

Der Ablassbrief

Unser Ablassbrief ist auf ehemals mehrfach gefaltetem Pergament geschrieben und besitzt noch ein beschädigtes von vermutlich ehemals sieben Siegeln. Die rechte Einfaltung fehlt, seit wann ist unbekannt. Aber bereits 1860 erwähnt Pfarrer Heber zu Darmstadt in seinem Artikel (1) die Beschädigungen. Sie sind also nicht neueren Datums. Der fehlende Pergamentteil könnte verdorben oder, da er den Namen des Papstes Johannes XXII. enthielt, nach der Reformation abgetrennt worden sein.
In der linken oberen Ecke befindet sich ein farbloses Ornament, im Gegensatz dazu ist das Ornament des jüngeren Schottener Ablassbriefes farbig und zeigt ein Bildnis Christi. Zwischen dem Text in älterer lateinischer Schrift ist z.T. nochmals in jüngerer Schrift geschrieben worden, quasi als Übersetzung. Wann das geschehen ist, ist unklar, die Quellen (1), (2) und (3) lassen sich darüber nicht aus, es ist aber unwahrscheinlich, dass es in jüngerer Zeit geschehen ist.
Dem Avignoner Ablassbrief sind zwei weitere Originalpergamente aufgenäht, eines des Erzbischofs Gerlach von Mainz und eines des Weihbischofs Hermann.

Inhalt des Ablassbriefes vom 28. April 1327

Von den benannten Bischöfen (aus der päpstlichen Kurie) wird vorbehaltlich der Zustimmung der Diözesanoberen der Kirche zu Kirchberg sowie der von derselben abhängigen Kapelle zu Wißmar auf 40 Tage Ablass bewilligt, für alle, welche die Kirche oder die Kapelle an einem Sonn- und Festtag besuchen, der Monstranz oder dem heiligen Öl, das zu Kranken gebracht wird, nachfolgen, oder beim Nachtläuten auf die Knie fallen und drei Ave Maria beten, oder auf dem Sterbebett eine Stiftung machen, und für Lichter und andere kirchliche Bedürfnisse sorgen.

Inhalte der Appendices

Im 1. Anhang gibt Erzbischof Gerlach von Mainz seine Zustimmung zu dem o.a. Ablassbrief und fügt einen weiteren 40-tägigen Ablass an. Er datiert auf den 10. August 1355 und wurde in Arnsburg erstellt. Die Zustimmung des zuständigen Bischofs erfolgte also erst 28 Jahre nach der Ausstellung des Ablassbriefes.
Der 2. Anhang datiert am 27. Juli 1390 und wurde in Salzböden erstellt. Darin heißt es:
Wir, der Bruder Hermann von Gottes und des apostolischen Stuhles Gnaden Bischof von Scopio, bischöflicher Vicar des Kapitels und der Kirche zu Mainz, weil wir dem göttlichen Ausspruch (mittelalterliche Bezeichnung der Heiligen Schrift) zufolge verbunden sind die ruhmreiche Jungfrau mit eifriger Anbetung zu verehren, wir aber den genannten Kult zu vermehren trachten, so bewilligen wir allen wahrhaft Reumütigen, welche in Staufenberg mit Kniebeugung beim Abendläuten andächtig drei Ave Maria aus Ehrfurcht zu der ruhmreichen Jungfrau beten, kraft der uns übertragenen Autorität, und im Vertrauen auf die Gnade des Heiligen Petrus und Paulus, von dem Erbarmen des allmächtigen Gottes auf vierzig Tage Sündenerlass und erlassen im Herrn uns erbarmend eine Karenz.
Hier kommen die Staufenberger deutlich glimpflicher davon als im Avignoner Ablassbrief, wo sie, um dem Fegefeuer zu entkommen, noch deutlich mehr tun mussten.

Verbleib des Originalpergaments

Nachdem das Original fast 700 Jahre im Kirchberger Archiv gelegen und zumindest seit den letzten Dokumentationen von 1860 und 1920 keine sichtbaren Schäden genommen hatte, hat der Kirchenvorstand trotzdem 2018 beschlossen, dieses dem Archiv der EKHN in Darmstadt zur Aufbewahrung zu übergeben. Das hat den Vorteil, dass es von fachkundigem Personal nach dem neuesten Stand der Technik gepflegt wird und so hoffentlich noch lange Zeit überdauern kann. Das Archiv der EKHN hat uns einen hochwertigen Scan angefertigt, um eindrucksvolle Repliken herzustellen, die wir ausstellen können, ohne ständig um das wertvolle Original bangen zu müssen.

Literatur
1.Pfarrer Heber, Darmstadt: Die neun vormaligen Schottenkirchen in Mainz und inOberhessen, im Zusammenhang mit der Schottenmission in Deutschland. In: Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde, Darmstadt 1860.
2.Pfarrvicar W. Nebel, Oberseemen: Einige Bemerkungen über Staufenberg. In: Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde, Darmstadt 1848.
3.Fritz Hermann: Inventare der evangelischen Pfarrarchive im Freistaat Hessen, Darmstadt 1920

Dr. Wolfgang Neumeier, Staufenberg