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 KIRCHE MAINZLAR
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BAUPHASE 2
 

Die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts

In der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts erfährt die Kirche von Mainzlar eine durchgreifende Renovierung, deren Spuren sich am heutigen Bestand, insbesondere im Dachbereich, erhalten haben. Das bis dahin bestehende Dachwerk der Phase 1 wird zusammen mit den Dachbalken komplett abgetragen. Dann mauert man unter Beibehaltung des älteren Giebelmauerwerks neue, steilere Giebel auf, die eine Dachneigung von etwa 50 Grad aufweisen, der First liegt nun etwa 1,80 m höher als beim Ursprungsbau. Aufgrund der Mörtelanalyse zeigt sich, dass das Fenster mit abgefastem, monolithem Gewände im Ostgiebel in diese Bauphase gehört. Auch der Chor erhielt ein neues Dach, dessen Spur sich im Wandputz der Ostmauer erhalten hat. Es hatte die gleiche Neigung wie dasjenige über dem Kirchensaal, der First liegt jedoch ca. 1,00 m niedriger. Inwieweit bei dieser Renovierung die älteren Rundbogenfenster der Südseite durch neue Fenster ersetzt wurden, ist am Befund nicht mehr zu ermitteln, da diese Bereiche durch jüngere Fenster überprägt sind.

Das in dieser Bauphase neu aufgeschlagene Dachwerk ist noch weitgehend erhalten bis auf einige in jüngerer Zeit ausgetauschte Hölzer sowie die Fehlstellen, die beim Einbau des jüngeren Dachreiters entstanden. Es handelt sich um ein stuhlloses Kehlbalken-Sparrendach zu zehn Sparrengebinden. Die Kehlbalken sind mit einfachem, geradem Blatt oder mit Weichschwanzblatt den Sparren von Osten aufgeblattet, der Abbund erfolgte also von Westen nach Osten. Die Sparren sind in die Dachbalken, wohl ohne oder nur mit geringem Vorholz (diese Bereiche waren nicht zugänglich), eingezapft. Staknuten an den Dachbalken machen deutlich, dass nuneine aus Wickelstakung bestehende Decke eingebaut wurde.

Stuhllose Kehlbalken-Sparrendächer sind für städtische Wohnbauten, aber auch für kleinere Kirchen im frühen 14. Jahrhundert in der Region nichts ungewöhnliches. Die Größe des Daches macht eine Unterstützung durch einen Stuhl nicht unbedingt notwendig. Eine Begründung für das Fehlen einer Stuhlkonstruktion aus allein statischer Sicht ist jedoch nicht hinreichend. Betrachtet man ähnlich große Dachwerke über Kirchen, die in der 2. Hälfte des 14. und im 15. Jahrhundert entstanden sind, so zeigt sich, dass in der Regel ein einfach stehender Firstsäulendachstuhl, oft durch Andreaskreuze längs ausgesteift, Verwendung findet. Bekannt war den Zimmerleuten auf jeden Fall eine solche Konstruktionsform, die in Hessen zum ersten Mal beim ältesten Abschnitt des Dachwerks der Elisabethkirche in Marburg im Jahre 1248 auftritt, und bei den folgenden Bauabschnitten bis zum späten 13. Jahrhundert in abgewandelter Form weitergeführt wird, hier jedoch nicht als eigentlicher Stuhl, sondern als Hängewerk ausgebildet ist. Es mag also durchaus eine konservative Haltung der lokalen Zimmerleute gewesen sein, die beim Mainzlarer Dach nicht die fortschrittlichsten Konstruktionsformen verwendeten, sondern sich am Standard von Wohnhäusern orientierten. Ein weiteres konservatives Element ist darüber hinaus der offensichtliche Verzicht auf ein Vorholz an der Verbindung zwischen Dachbalken und Sparren, was den Aufschiebling obsolet macht. Auch diese Form findet sich eher im 12. und 13. Jahrhundert als im frühen 14. Jahrhundert.

Ob in dieser Bauphase auch im Innern der Kirche Veränderungen vorgenommen wurden, z.B. eine neue Tünche mit Malereien aufgebracht oder bereits jetzt der Einbau von Emporen erfolgte, was durchaus ungewöhnIich wäre, ist vom Befund her nicht zu entscheiden. Die polygonale Säule mit dem die Deckenbalken stützenden Unterzug mag jedoch dieser Ausbauphase entstammen.

Die Datierung dieser Renovierungsmaßnahme, bei der insbesondere das Verhältnis der aufgehenden Wandsubstanz zu den nun weitaus steileren Dächern verändert wurde, ist aufgrund der dendrochronologischen Datierung einiger Sparren mit 1337 anzugeben.